Freitag, 13. April 2007

Antisemitismus ist, wenn man die Juden noch weniger leiden kann, als es an sich natürlich ist.

Es gab viele Versuche den Antisemitismus zu definieren. In der Regel blieben die Erklärungsversuche auf sozioökonomische Faktoren wie die „wirtschaftliche Lage“, die „Funktion der Juden in einer kapitalistischen Gesellschaft“ oder den „Anteil von Juden an bestimmten Berufen“ beschränkt. Mit solchen „Definitionen“ wird der Antisemitismus verklärt und nicht erklärt.
Ein sehr wichtiger Aspekt, vermutlich der allerwichtigste, wird bei dem Versuch den Antisemitismus zu erklären immer konsequent übersehen. Es ist ein weit verbreitetes Bedürfnis die Juden für ihre Probleme verantwortlich zu machen. Es macht geradezu Spaß die Juden als Quelle allen Übels anzusehen. Herrmann Bahr hat das vor über 100 Jahren (1893) sehr gut herausgearbeitet „Der Antisemitismus will nur sich selber. Er ist nicht etwa Mittel zum Zwecke. Der einzige Zweck des Antisemitismus ist der Antisemitismus. Man ist Antisemit um Antisemit zu sein. Man schwelgt in diesem Gefühle. [...] Der Antisemitismus ist der Morphinismus der kleinen Leute [...] Man kann mit Gründen gegen den Antisemitismus nichts richten. Wer Antisemit ist, ist es aus der Begierde nach dem Taumel und dem Rausche einer Leidenschaft. Er nimmt die Argumente, die ich gerade die nächsten sind. Wenn man sie ihm widerlegt, wird er sich andere suchen, wenn er keine findet, wird es ihn auch nicht bekehren, mag den Rausch nicht entbehren. Ein zweites Zitat von ihm: „Wenn es keine Juden gäbe, müssten die Antisemiten sie erfinden, sie wären sonst um den Genuss der kräftigen Erregung gebracht.“ 50 Jahre später schrieb Jean-Paul Sartre den Satz fast identisch nieder „Wenn es keine Juden gäbe, der Antisemit würde ihn erfinden.“ Auch Sartre erklärt, dass der Antisemitismus „vor allem eine Leidenschaft ist“, die sich „in das Gewand theoretischer Vorschläge kleiden (kann)“.
Sowohl Bahrs wie auch Sartres Ansätze scheinen richtig zu sein, da sie einen Schwerpunkt die emotionale, sinnliche Qualität des Antisemitismus legen, und nicht auf sozioökonomische Faktoren.
„Antisemitism is if you cannot stand the Jews more than it is natural“ („Antisemitismus ist, wenn man die Juden noch weniger leiden kann, als es an sich natürlich ist.“) ist nicht ein Witz, sondern die wohl beste Definition des Antisemitismus. Der Satz spricht aus, worauf es beim Antisemitismus ankommt. Antisemitismus ist kein abweichen von der Regel, sondern die Regel selbst. Ein negatives Verhalten gegenüber Juden ist keine Ausnahme sondern der Normalfall. Über diesen Normalfall empört sich kaum jemand. Antisemitismus ist dieser Normalfall in noch extremerer, deutlicher Ausprägung.
Wahr ist aber auch, dass „traditionelle Antisemitismus“ abnimmt. Dafür ist „sekundärer Antisemitismus“ in erschreckend hohem Maße in Deutschland und der Welt vertreten. Ich möchte mich im folgendem auf Deutschland beschränken. Alle Daten sind von GMF-Survey aus dem Jahre 2004. Befragt wurden 3.000 Menschen ohne Migrationshintergrund, lebend in Deutschland. Dieser Hinweis ist relevant da gerade junge Muslime verstärkt zum Antisemitismus neigen.

Zum traditionellem Antisemitismus:
21,5% der Befragten stimmen der Aussage zu, dass „Juden in Deutschland zu viel Einfluss haben“, 17,4% sind der Ansicht, dass Juden mindestens eine Mitschuld an ihrer Verfolgung haben.

Zum sekundärem oder neuem Antisemitismus:
45,2 % sind der Ansicht, dass die Juden versuchen aus ihrer Vergangenheit im III. Reich versuchen Vorteile zu ziehen, 68,3% ärgern sich darüber, „dass den Deutschen auch heute noch die Verbrechen an den Juden vorgehalten werden“. 62,2% sind es leid, „immer wieder mit den deutschen Verbrechen an den Juden konfrontiert zu werden.“ Eine erschreckend hohe Zahl, möchte also einen Schlussstrich unter der Geschichte ziehen. Zugunsten einer Nation wo Auschwitz, das Menschheitsverbrechen, vergessen ist.
55,6% meinen, dass „die deutschen Juden sich stärker mit Israel als mit Deutschland verbunden fühlen.“ Dass „Juden hierzulande sich mehr für israelische als für deutsche Angelegenheiten interessieren“ meinen 47,8% zu wissen.
„Durch die israelische Politik werden mir die Juden immer unsympathischer“ räumen 31,7% der Befragten ein. 44,4% stimmen der Aussage „Bei der Politik, die Israel macht, kann ich gut verstehen, dass man etwas gegen Juden hat“ zu. Hier werden Juden und die Politik Israels in einen Topf geschmissen.
Dass „Israel einen Vernichtungskrieg gegen die Palästinenser führt“, glauben 68,3%, 51,2% meinen, dass „was der Staat Israel heute mit den Palästinensern macht, im Prinzip auch nichts anderes sei als das, was die Nazis im Dritten Reich mit den Juden gemacht haben.“ Hier werden Opfer zu Tätern gemacht, was letzendlich nur dazu dient die eigene, die deutsche, Schuld zu lindern und eine Rechtfertigung für die Shoah zu schaffen.
81,9% werden wütend, „wenn sie daran denke, wie Israel die Palästinenser behandelt“ und 86% finden es „ungerecht, dass Israel den Palästinensern Land wegnimmt.“ Bei ersterer Aussage wird vergessen, dass die Palästinenser noch um einiges brutaler gegenüber Israel agieren. Die zweite Aussage ist genauso undurchdacht, da so gut wie jeder Staat anderen Völkern Boden weggenommen hat und es wird vollkommen die Notwendigkeit eines jüdischen Staates zum Schutz von Jüdinnen und Juden weltweit, außer acht gelassen. Dass die Notwendigkeit besteht, daran lässt die Studie wohl keinen Zweifel.

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